Bei seiner Forschung zur Entstehung und Heilung von Traumatisierungen und bei seiner Arbeit mit traumatisierten Menschen ist Peter Levine, einer der weltweit führenden Trauma-Experten, zu ähnlichen Erkenntnissen gekommen wie Eugene Gendlin, Begründer der Focusing-Lehre und Pionier im Bereich der Psychotherapie.
Wird ein Mensch einer Gefahr ausgesetzt oder fühlt er sich bedroht, so Levine, aktiviert der Körper einen Mechanismus, der es ihm ermöglicht, die Bedrohung zu bewältigen, indem er entweder zum Angriff übergeht oder flieht. Sind Angriff oder Flucht nicht möglich, etwa weil der Gegner übermächtig erscheint (stellen Sie sich einmal vor, Sie begegnen im Wald einem Tiger), setzt der Körper einen Mechanismus in Gang, der zur Erstarrung führt. Diese drei Mechanismen – Angriff, Flucht und Erstarrung – sind unser genetisches Erbe aus grauer Vorzeit und ermöglichten unseren Vorfahren das Überleben.
Vereinfacht gesprochen kommt es nach einer Bedrohung zu keiner Traumatisierung, wenn der ausgelöste Mechanismus vollendet wird, d.h. wenn der Angriff ausgeführt, die Flucht vollzogen oder die Erstarrung abgeschüttelt wird. Wird der Mechanismus nicht vollendet, bleibt er im Körper aktiviert – bei starken Traumatisierungen möglicherweise das ganze Leben. Obwohl keine Gefahr mehr droht, sendet der Körper Alarmsignale in Form von körperlichem und emotionalem Schmerz und von inneren Bildern und Gedanken, wie beispielsweise Flashbacks, in denen der Betroffene immer wieder das traumatisierende Ereignis durchlebt.
Da die Bedrohungen, denen wir uns heutzutage gegenüber sehen, anderer Natur sind als vor Jahrtausenden und da aufgrund kultureller und sozialer Bedingungen Angriff und Flucht häufig versperrt werden, kommt es in vielen Fällen zu einer Erstarrung, die nicht abgeschüttelt werden kann. ("Wer zittert und weint, zeigt Schwäche.") Unsere Lebensenergie wird blockiert und wir verharren in dem körperlichen und emotionalen Schmerz.
Der Weg zur Heilung eines Traumas besteht darin, die nach wie vor bestehende körperliche Aktivierung aufzuheben. Zu diesem Zweck hat Levine einen Prozess entwickelt, den er "Somatic Experiencing" nennt – somatisches Erleben. Dieser Prozess ähnelt sehr stark dem Focusing-Prozess und Levine verwendet sogar den von Gendlin geprägten Begriff "Felt Sense".
Kern dieses Prozesses und auch Kern des Focusing-Prozesses ist das körperliche Erleben. Wie fühlt es sich auf rein körperlicher Ebene an, wenn ich an ein bestimmtes Ereignis denke? Wo spüre ich eine innere Resonanz? Im Hals oder in der Brust? Wie ist die körperliche Qualität dieser Empfindung? Eng oder zitterig oder pulsierend? Und welche Emotion steckt in der Empfindung? Ist es ein ängstliches Zittern oder ein wütendes?
Sowohl Focusing als auch Somatic Experiencing haben Schritte entwickelt, um nach und nach die körperliche Aktivierung, die von einem Trauma ausgelöst wurde, aufzuheben und dauerhafte Befreiung zu bringen.
Folgendes Buch von Peter Levine möchte ich empfehlen:
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