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Rezensionen

Auf dieser Seite stelle ich Bücher vor, die sich mit Focusing und verwandten Themen beschäftigen, und kommentiere sie aus meiner ganz persönlichen Sicht.

 

 

 

Gendlin, Eugene T.: Focusing - Selbsthilfe bei der Lösung persönlicher Probleme. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1998.

Dieses Buch wurde 1978 vom Begründer von Focusing, Eugene Gendlin, geschieben. Es ist das erste Focusing-Buch, das jemals veröffentlicht wurde. Die Herangehensweise, die Gendlin hier vorstellt, ist daher recht traditionell (z.B. die sogenannten "sechs Focusing-Schritte"). Theorie und Praxis von Focusing sind inzwischen deutlich ausgefeilt und weiter entwickelt worden. Leider wird in diesem Buch der Eindruck erweckt, man könne Focusing durch reine Lektüre und die anschließende Anwendung der dort vorgestellten Methode lernen, was jedoch nur sehr begrenzt möglich ist. Gerade Anfänger, die das Buch in die Finger bekommen und sonst keine Erfahrung mit Focusing haben, könnten schnell frustriert werden, wenn es nicht so klappt, wie es im Buch beschrieben wird. Es wäre sehr schade, wenn sie es dann in die Ecke schmeißen und sich nicht weiter mit Focusing beschäftigen würden.

 

Warum hat Gendlin nicht deutlich gesagt, dass man persönliche Anleitung braucht, um Focusing zu lernen? "Er wollte wahrscheinlich mit dem Buch Geld verdienen", vermutete einmal einer meiner Psychologieprofessoren. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Ich vermute eher, dass es für Gendlin so selbstverständlich war, dass man Focusing in Workshops und durch persönliche Begleitung lernt, dass dies keiner besonderen Erwähnung bedurfte. Wahrscheinlich war das Buch ursprünglich für die Teilnehmer seiner Workshops und Seminare gedacht, sozusagen als Verschriftlichung dessen, was dort vermittelt wurde. Wer konnte damals schon ahnen, welchen Weg es gehen würde und dass es eines Tages außerhalb des Kontextes gelesen würde, in welchem es entstanden ist?

 

Wie dem auch sei, wer sich ernsthaft für Focusing interessiert, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Es ist leicht verständlich, ansprechend geschrieben (im Stile amerikanischer Ratgeberliteratur) und insgesamt sehr empfehlenswert.

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Weiser Cornell, Ann: Focusing - Der Stimme des Körpers folgen. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2004 (sechste Auflage).

Aus meiner Sicht das mit Abstand beste Einstiegsbuch zum Thema Focusing! Anfang der 70er Jahre lernte die Autorin, Ann Weiser Cornell, in Chicago Focusing von Gendlin. Bis 1983 lehrte sie es gemeinsam mit ihm und zog dann ins sonnige Kalifornien. Dort eröffnete sie ihre eigene Focusing-Praxis, um mit Focusing ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Schon bald merkte sie jedoch, dass die Form des Focusing, die sie von Gendlin gelernt hatte, nicht so effektiv und nicht so leicht zu vermitteln war, wie sie es sich wünschte. Allmählich wich sie vom traditionellen Focusing ab und entwickelte eine Herangehensweise, die ihren Klienten schneller zu Erfolgserlebnissen verhalf und einfacher zu erlernen war.

 

Das Ergebnis (oder besser gesagt das Zwischenergebnis) dieses Prozesses liegt mit diesem Buch vor. Die hier beschriebene Form des Focusing hat sich von den "sechs Schritten" verabschiedet und wirkt auf mich viel organischer, viel natürlicher. Vor allem das sogenannte "Freiraumschaffen", das Gendlin für den Anfang jeder Siztung vorschlägt, wurde über Bord geworfen, da sich gezeigt hat, dass es in vielen Fällen endlos lange dauert und das "Freiraum schaffen" viel leichter und mit viel weniger Aufwand erreicht werden kann. (Ich bin der Auffassung, dass es trotzdem Situationen gibt, in denen es Sinn macht. Jede Sitzung so zu beginnen, finde ich aber nicht hilfreich.)

 

Wie oben angedeutet, möchte ich darauf aufmerksam machen, dass Focusing - der Stimme des Körpers folgen, das im Jahre 1996 in den Vereinigten Staaten erschienen ist, nicht Ann Weiser Cornells letztes Wort zum Thema Focusing darstellt. Die Weiterentwicklung von Focusing hat sich fortgesetzt, seit den 90er Jahren in Zusammenarbeit mit Barbara McGavin, und inzwischen ist eine Form des Focusing entstanden, ein neuer Strang der Focusing-Lehre, der sich so deutlich vom traditionellen Focusing unterscheidet, dass Ann Weiser Cornell und Barbara McGavin ihm einen eigenen Namen gegeben haben: "Inner Relationship Focusing".

 

Kritisch angemerkt werden muss, dass auch dieses Buch den Eindruck erweckt, man könne Focusing durch die bloße Lektüre lernen. Einmal habe ich Ann Weiser Cornell auf das Problem angesprochen, dass viele Focusing-Bücher eben diesen Eindruck vermitteln. Ihre Antwort: "To hell with them".

 

Dieses Buch sollte ganz bestimmt nicht in die Hölle geschickt werden, sondern man sollte es lesen. Focusing - der Stimme des Körpers folgen gehört zum Besten, was es derzeit zum Thema Focusing gibt.

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Renn, Klaus: Dein Körper sagt dir, wer du werden kannst. Herder, Freiburg im Breisgau 2006.

Wer auf der Suche nach einer systematischen, linearen Einführung ins Focusing ist, wird hier nicht fündig. Vermutlich war es gar nicht die Absicht des Autors, der zusammen mit Johannes Wiltschko das Deutsche Ausbildungsinstitut für Focusing und Focusing-Therapie leitet, ein solches Buch zu schreiben. (Warum sollte er auch? Die gibt es ja schon!) Und vermutlich ist das Buch deswegen so toll geworden. Der Untertitel lautet "Focusing - Weg der inneren Achtsamkeit" und genau so habe ich die Lektüre erlebt - als Anleitung zu innerer Achtsamkeit und körperlichem Bewusstsein. Klaus Renn schlägt viele Übungen vor und lädt den Leser ein, diese auszuprobieren. Auf diese Art und Weise umgeht er eine Gefahr, die beim Lesen anderer Focusing-Bücher besteht, nämlich dass das Gelesene lediglich "mit dem Kopf" verarbeitet wird. Durch eine ausschließlich kognitive Verarbeitung kann man Focusing nicht entdecken. Man muss es am eigenen Leibe (besser gesagt im eigenen Körper) erleben. Hierzu leistet Dein Körper sagt dir, wer du werden kannst einen wertvollen Beitrag.

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Campbell, Peter A. und Edwin M. McMahon: Glaube beginnt im Körper - Eine praktische Einführung zur Selbsterfahrung mit Focusing. Claudius, München 1992.

In diesem Juwel der Focusing-Literatur beleuchten die beiden Autoren, zwei Priester, Focusing aus einem sprirituellen und religiösen Blickwinkel. Focusing wird hier nicht einfach nur als plumpes Werkzeug der Selbsthilfe dargestellt, sondern als ein Weg zu "Gott" in uns. Aus Sicht der Autoren dient Focusing dazu, mit etwas "Göttlichem" in uns Kontakt aufzunehmen, um Teil von etwas "Größerem" zu werden. Obwohl ich kann religiöser Mensch bin, finde ich, dass dies ein wundervolles Buch ist. Ich habe es mehrfach verschlungen. (Einmal bin ich sogar morgens um 5 Uhr aufgestanden, um es in Ruhe lesen zu können, bevor meine Kinder wach wurden und ich zur Arbeit musste.) Dieses Buch befriedigt eine spirituelle Sehnsucht, die jeder von uns in sich trägt. Focusing in diesem Zusammenhang zu sehen, ergibt für mich einen tiefen Sinn.

 

Leider ist das Buch vergriffen. Wer es lesen möchte, wird vielleicht in einer Bibliothek fündig. Die Mühe lohnt sich.

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Gendlin, Eugene T.: Dein Körper - Dein Traumdeuter. Innere Achtsamkeit: Mit Focusing Träume verstehen. Klett-Cotta, Stuttgart 2009.

Neuauflage eines Klassikers! In diesem faszinierenden Buch, welches 1986 in den USA erschien, zeigt Gendlin, wie Focusing zur Traumdeutung eingesetzt werden kann. Hierdurch revolutioniert der gebürtige Wiener die Traumdeutung Freuds (welcher in Wien praktizierte; neben der Tatsache, dass beide Juden sind/waren, eine weitere interessante Parallele): Nicht der Analytiker deutet die Traumsymbole seines Patienten, sondern der Träumer selbst sucht Symbole, die zum Felt Sense des Traumes passen.

 

Dieses äußerst lesenswerte Buch ist kein Focusing-Einstiegsbuch. Eine gewisse Vertrautheit mit Focusing wird vorausgesetzt.

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Richardson, Diana: Zeit für Liebe: Sex, Intimität und Ekstase in Beziehungen. Innenwelt Verlag, Köln 2004.

Sex + Focusing = Tantra? Nein, so einfach ist das nicht! Trotzdem gibt es Parallelen zwischen Focusing und Tantra. Beides erfordert körperliche Achtsamkeit. Die Lehre des Tantra, die in diesem Buch auf einfühlsame und anschauliche Art und Weise vorgestellt wird, beruht jedoch auf Annahmen, die Focusing-Leuten komisch vorkommen werden, da sie vorschreiben, was man entdecken soll/ muss, wenn man in sein Inneres eintaucht.

 

Dies ist ganz offensichtlich kein Focusing-Buch. Solange sich jedoch keiner traut, ein Buch über Focusing und Sex zu schreiben, empfehle ich es. (Warum hat eigentlich noch niemand ein solches Buch geschrieben? Liegt das nicht nahe bei einer körperbasierten Methode wie Focusing?)

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Gendlin, Eugene T. und Johannes Wiltschko: Focusing in der Praxis - Eine schulen-übergreifende Methode für Psychotherapie und Alltag. Klett-Cotta, Stuttgart 2004 (zweite Auflage).

"Dieses Buch bietet erstmals eine Einführung in fast das gesamte Spektrum von Eugene Gendlins Denken und praktischer Arbeit", schreibt Johannes Wiltschko in seinem Vorwort. Dem ist wenig hinzuzufügen. Ein hochinteressantes Buch auch für diejenigen, die mehr über die Philosophie erfahren wollen, die Focusing zugrunde liegt!

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Lincoln, Peter: Wie der Glaube zum Körper findet. Focusing als spiritueller Übungsweg. Aussaat Verlag, Neukirchen-Vluyn 2007.

Ein wunderschön und klar geschriebenes Focusing-Einstiegsbuch, das sich Focusing aus religiöser und spiritueller Perspektive nähert. Und endlich sagt einmal einer klar und deutlich, dass man Focusing nur sehr begrenzt aus Büchern lernen kann! Sehr lesenwert vor allem für diejenigen, die sich dafür interessieren, wie sich Focusing und der Glaube an Gott verbinden lassen!

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Siems, Martin: Dein Körper weiß die Antwort. Focusing als Methode der Selbst-erfahrung. Eine praktische Anleitung. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1986.

Diesem Buch kommt der Verdienst zu, eins der ersten Focusing-Bücher von einem deutschen Autoren gewesen zu sein, das sich an an breites Publikum wandte. Somit hat es einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, Focusing im deutschsprachigen Raum bekannt zu machen.

 

Das dargestellte Focusing orientiert sich stark an Gendlins traditionellem Focusing. Die Darstellung selbst ist recht strukturiert und sehr gut verständlich. Vor allem der zweite Teil des Buches, in dem es darum geht, wie Focusing im Zusammenhang mit bestimmten Charakterstrukturen eingesetzt werden kann, ist interessant. Lesenswert!

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Wild-Missong, Agnes: Neuer Weg zum Unbewußten - Focusing als Methode klientenzentrierter Psychoanalyse. Otto Müller Verlag, Salzburg 1983.

In diesem sehr frühen Focusing-Buch stellt die Autorin Rogers' klientenzentriertes Konzept der Freudschen Psychoanalyse gegenüber. Sie bespricht einige von Freuds Fällen und stellt dar, wie diese sich vor dem Hintergrund von Rogers' Erkenntnissen in einem anderen Lichte zeigen. Wie der Titel schon verrät, wird Focusing dabei als äußerst wirksame Methode zur Aufdeckung und Heilung der Leiden der Klienten gesehen. Wild-Missong macht deutlich, dass diese häufig aus Missbrauch in der Kindheit resultieren (nicht nur sexueller) und verweist auf die Arbeiten von Alice Miller. Die psychoanalytische Triebtheorie, so die Autorin, verschleiere die wahren Ursachen innerer Konflikte, welche mit Hilfe von Focusing aufgedeckt und verarbeitet werden können.

 

Dieses extrem spannende Buch richtet sich vor allem an Psychotherapeuten und an Menschen, die sich für tiefenpsychologische Theorien interessieren. Leider ist es inzwischen vergriffen. (Über den Marketplace von Amazon bekommt man jedoch Second-Hand-Exemplare.)

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Miller, Alice: Die Revolte des Körpers. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2004.

In diesem Buch stellt Alice Miller ihre neusten Erkenntnisse und ihre gedankliche Entwicklung seit Das Drama des begabten Kindes und Am Anfang war Erziehung vor. Sie zeigt eindrucksvoll, wie die Befolgung des vierten Gebotes ( "Du sollst Vater und Mutter ehren, auf dass es dir wohl ergehe und du lange lebest auf Erden") zu körperlicher und seelischer Erkrankung führen kann.

 

Dies geschieht dadurch, dass elterliche Forderungen verinnerlicht werden. Stehen diese Introjekte im Widerspruch zum körperlichen Erleben, kommt es zu einem inneren Krieg und das Schlachtfeld ist der Körper. Der Weg zur Heilung wird dann möglich, wenn man einen "wissenden Zeugen" findet, der einen so sieht und akzeptiert, wie man ist, und der einem dadurch hilft, das körperliche Erleben zu entdecken und anzunehmen. (Als die ehemalige Psychoanalytikerin erkannte, dass Psychoanalytiker häuft durch ihre theoretischen Konstrukte daran gehindert werden, ein solcher "wissender Zeuge" zu sein, trat sie aus der Psychoanalytischen Vereinigung aus.)

 

Auch dies ist kein Focusing-Buch. Millers Erkenntnisse sind jedoch mit Focusing kompatibel und durch sie wird eine Dimension ergänzt, die meiner Ansicht nach in vielen Focusing-Büchern vernachlässigt wird: Wie entstehen "innere Teile", wie etwa der "Innere Kritiker"? Dieses Buch leistet einen wertvollen Beitrag, eine Brücke zu schlagen zwischen tiefenpsychologischen Erkenntnissen anderer psychologischer Richtungen und Focusing. Extrem lesenswert!

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